Nina Hammerschmidt
Kindergeburtstag

Nina Hammerschmidt

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Geri war der fesche, verwöhnte, extrem am Weltschmerz leidende Teenager, der sich sicher sein konnte, dass ihm seine Eltern aus jeder Scheiße holen würden, egal wie sehr er sich auch dagegen wehrte. An die Leute, die er mit sich in den Dreck zog, die aber keine adäquaten Obsorgepflichtigen hatten, dachte er nicht. Die waren nicht mehr als sein Publikum. Die Nina Hammerschmidt war eine von denen. Zart, blass, langes, nachgeschwärztes Haar und von der Alleinerziehung ihrer von allen Männern verlassenen Mutter her, eher romantisch/verträumt geprägt und somit extrem selbstmordgefährdet. 

Aber: da kann dir deine Mutter noch so oft einbläuen, dass alle Männer Schweine sind, wenn der Geri Interesse für dich zeigt und dir sagt, wie sensibel und geistreich und durchaus auch hübsch du bist und er sich von dir so richtig verstanden fühlt, dann glaubst du einfach daran, dass er die große Ausnahme ist und ihr beide einfach für einander geschaffen seid. Da machst du als Sechzehnjährige und auch noch als Zweiundzwanzigjährige die Augen zu und die Beine breit. Da können dann auch durchaus zwei, drei Wochen strahlendes Glück drin sein, bevor der Weltschmerz, die Erbsünde oder eine neue LP das Leben wieder verdüstern und nicht nur einen emotionalen Scherbenhaufen zurücklassen, sondern auch – wie in diesem Fall – ein paar Leichen.

Was war passiert?

Um das zu verstehen, müssen wir eine dritte Person ins Spiel bringen. Nämlich die Steiner Nicole. Wir nennen sie Nicki, auch wenn sie das seit ihrem zwölften Geburtstag allen verboten hatte und nur noch Nicole genannt werden wollte. Ihre Mutter hat ihr schon sehr zeitig beigebracht, dass die Schönheit einer Frau ihr Kapital sei, welches sie bis spätestens zu ihrem dreißigsten Geburtstag so gut investiert haben müsse, dass sie sich für den Rest ihres Lebens um nichts mehr zu kümmern braucht. Bekräftigt durch jede Menge Bilderbücher, Fernsehfilme und -serien, folgte sie den Anweisungen der Übermutter und wuchs zu einer ziemlich attraktiven und belesenen jungen Dame heran, die sich auch in sexuellen Disziplinen bildete.

Hätte man sie nur wenige Jahrzehnte früher oder während einer ÖVP-Alleinregierung noch als Hexe verbrannt oder erschlagen, galt sie Anfang der aufgeklärten 90er-Jahre lediglich als raffinierte junge Frau, die weiß, was sie will. Je nachdem, wen man fragte. Manch einer und auch manch eine, die ihr die vielgerühmte und gleichzeitig gefürchtete weiße Leber diagnostizierte, hätte am liebsten selbst Hand an sie gelegt, war allerdings mangels verwertbarer Güter nicht zum Zuge gekommen. Die Schar ihrer Verehrer wuchs ebenso schnell wie die ihrer verbitterten Neider.

Dem Geri kam sie während ihrer Maturareise auf Ibiza näher. Sie klaubte ihn am vorletzten Abend von einer Bar auf, wo er sich kurz vor einer Alkoholvergiftung vor lauter Lachen in die Hosen gepinkelt hatte. Kurzerhand nahm sie ihn mit in ihr Hotelzimmer. Am nächsten Tag war Kotzen angesagt und am Abend war er dann soweit wiederhergestellt, dass sie ihm ordentlich einen blasen konnte.

Natürlich wusste sie, dass er der Sohn eines ziemlich wohlhabenden Notars mit dreistöckiger Kanzlei in Währing war und so hielt sie ihn für geeignet, sie in höhere Kreise einzuführen.

In Wien hörte Nina in der Zwischenzeit die semi-intellektuellen Pubertierenden-Philosophie von Kurt Cobain, dachte an Selbstmord und war sich sicher, dass Geri auf Ibiza furchtbar unter all der Zwangs-Bespaßungen leiden würde.

Zwei Tage später war auch Geri wieder in Wien. Leidend! So sehr leidend, dass er keinen Ausweg mehr wusste, als in selbstloser Weise Nina zu verlassen. Einzig um sie vor der Düsternis seines Schicksals zu beschützen. Im Herzen würden sie aber immer vereint bleiben. In dieser und in jeder erdenklichen Existenzebene.

Als Nina sechs Wochen nach ihrem Suizidversuch aus der Psychiatrie entlassen wurde, ging es ihr nicht wirklich besser, aber die Ärzte hatten recht. Sie war nicht mehr akut gefährdet. 

Akut gefährdet war zu dieser Zeit eher Geri, dem Nicki – mittlerweile seine feste Beziehung – eine Machtdemonstration nach der anderen lieferte und er vor lauter gesellschaftlichen Ereignissen gar keine Zeit mehr für Weltschmerz, Erbsünde oder sonstigen Firlefanz hatte, sondern alles tat, um in seiner sexuellen Abhängigkeit die einzige Person bei Laune zu halten, die diese Sucht befriedigen konnte. Eben Nicki. Der unterschwellige medial geförderte Oralsex-Unterricht seit frühester Kindheit erwies sich nun als pures Gold. Immerhin war Nicole mittlerweile mindestens ebenso gern gesehener Gast im Club 66 wie Geri selbst und hatte sich dort auch schon an Philipp, den Sohn eines Supermarkt-Ketten-Gründers herangemacht.

Die Nina hatte sich in den sechs Wochen Psychiatrie natürlich einiges zusammen fantasiert und wusste nach ihrer Entlassung nichts Besseres zu tun, als schnurstracks den Geri zu besuchen. Hätte ja sein können, dass er durch ihren Selbstmordversuch eingesehen hat, wie sehr sie ihn liebt und dass sie stark genug sei, mit ihm zu leiden. Notfalls bis in den Tod.

Ganz schön blöd und verworren, aber bitte. 

Als sie dann den Geri mit seinem Schwanz in der Nicki in seinem neuem Alfa Romeo erwischte, brannten bei ihr die letzten Sicherungen durch. Sie öffnete kurzentschlossen die Fahrertür, setzte sich ans Volant, und gab Gas. Man kann sich vorstellen, dass sich die beiden Turteltäubchen darüber ziemlich schockiert zeigten. Nicki reagierte mit einem Scheidenkrampf, der es dem Geri unmöglich machte, einzuschreiten. 

Um das Ganze nicht unnötig in die Länge zu ziehen, komme ich gleich zum Schluß. Die Nina versenkte den Wagen im Kaiserwasser, entkam als einzige lebend der Katastrophe und lebt seitdem ziemlich normal und meistens glücklich in Favoriten. 

Therapie hat sie seitdem keine mehr gebraucht. Und obwohl sie mit dieser Geschichte nicht hinterm Berg hielt, gab es bis jetzt niemanden, der sie deshalb bei der Polizei anschwärzte.

Ich auch nicht.